Die Zukunft des Labors wird als Labor 4.0 bezeichnet. Doch was genau ist Labor 4.0? (s. auch “Was ist Labor 4.0?”). Kurz gesagt ist in einem Labor der Generation 4.0 die Digitalisierung und Vernetzung so weit vorangetrieben, dass Prozesse und die Kommunikation mit anderen Systemen weitgehend automatisch ablaufen. Ganz nach dem Vorbild und der namensgebenden Industrie 4.0. Klingt gut, klingt aber auch nach einem großen Vorhaben. Aber die Entwicklung des Labors in diese neue Welt kann auch in kleinen iterativen Schritten erfolgen. Jeder Prozess, der nach dem Konzept Labor 4.0 renoviert und neu aufgesetzt wird, bringt spürbare Vorteile und Nutzen.
Wir haben für Sie die Schritte skizziert, mit denen Sie einen vorhandenen oder neuen Arbeitsablauf in Ihrem Labor in einen Labor 4.0 Prozess umwandeln können:
Schritt 1: Labordaten digitalisieren im LIMS
Die Grundlage des Labor 4.0 ist die Digitalisierung. Alle Aspekte vom Labor 4.0 basieren auf Daten, die elektronisch verfügbar sind und in strukturierten Datenbanken gespeichert sind.
Die Aufgabe übernimmt im Labor typischerweise ein LIMS (s. “Was ist ein LIMS?”).
Das Labor Informations- und Management-System sorgt für die Software-Infrastruktur.
Dazu gehört die zentrale Datenbank für die Speicherung der Labordaten und die Software mit Bedienoberflächen zur Eingabe, Ausgabe, Auswertung und Verwaltung von Labordaten. Es bildet damit die direkte Schnittstelle zwischen den Mitarbeitern des Labors und den digitalisierten Daten und Prozessen.
Die Digitalisierung der Labordaten muss nicht zwingend durch ein LIMS geschehen, es gibt auch andere Systeme, welche die im Labor anfallenden Daten erfassen und in Datenbanken ablegen. Grundsätzlich bleibt aber die Voraussetzung für Labor 4.0, dass die Labordaten in vollwertigen Datenbanken für den Zugriff bereitstehen.
Aufzeichnungen auf Papier, in Laborbüchern oder in Excel machen eine Umsetzung von Labor 4.0 schwer bis unmöglich (s. “Warum Excel kein LIMS ersetzt.”).
Schritt 2: Laborgeräte und Produktion vernetzen
Die Vernetzung ist ein zentraler Punkt für die Realisierung des Labor 4.0. Durch sie ist es möglich, Daten elektronisch zu übermitteln. Die Systeme in der Produktion, im Labor und auch im Rest des Unternehmens können auf diesem Wege als Quelle und als Ziel für die zentrale Labordatenbank dienen.
Laborgeräte
Viele moderne Labor-Geräte haben bereits heute die Möglichkeit, selbst direkt ans Netzwerk angeschlossen zu sein. Damit sind sie vom Labor-System erreichbar oder können aktiv ihre Analyse-Daten in die Labor-Datenbank senden. Einfachere Geräte haben oftmals elektrische Schnittstellen. Über die ist es einem Analyse-Platz-PC möglich, die Datenkommunikation zum Gerät umsetzen und die Analyse-Daten ins Netzwerk zu senden.
Bei ganz einfachen Geräten, wie zum Beispiel einfachen Waagen oder manuellen Analyse-Verfahren (Keimzahl-Zählungen, Sensorik), dient ein Arbeitsplatz-System mit einer Eingabe-Oberfläche des LIMS-Systems zur Umsetzung der Analyse-Daten direkt an der Quelle in das elektronische Format.
Produktion
In der modernen Produktion sind bereits viele Maschinen und Anlagen vernetzt. Durch die Automatisierung und im Speziellen durch das Konzept von Industrie 4.0 wird seit längerem stark auf eine vernetzte Produktion hingearbeitet. In der Produktion haben sich bereits Standards für die Maschinenanbindung gebildet. Zum Beispiel das Kommunikationsprotokoll OPC UA.
Bei der Umsetzung eines Labor 4.0 Prozesses ist es notwendig, die in der Produktion beteiligte Maschine und deren Steuerung zu identifizieren. Zu ihr muss die Kommunikation hergestellt werden, um entweder Daten von ihr zu beziehen und als Analyse-Daten zum Produkt zu speichern oder um ihr bei Bedarf Analyse-Daten aus der Labordatenbank für Ablauf-Entscheidungen bereitzustellen. Die Kopplung zwischen Maschinensteuerung und Labordatenbank übernehmen geeignete Gateways (z.B. OPC Router).
Management-Systeme
Neben den Geräten und Maschinensteuerungen sind auch die Managementsysteme im Unternehmen wichtige Teilenehmer der Labor 4.0 Infrastruktur. Eine Kopplung zu diesen Systemen ermöglicht die direkte Übernahme von Daten aus vorhergehenden Arbeitsprozessen. Wird zum Beispiel ein ERP System gekoppelt, ist es möglich anstehende Produktionsaufträge zu laden und die zugehörigen Laborproben schon vorbereitend automatisch anzulegen. Im späteren Verlauf sind die Labor-Freigaben für Fertigware die Informationen, die an ein ERP zurückfließen und eine Auslieferung freigeben.
Schritt 3: Bewertung hinterlegen und Regelung definieren
Jede Entscheidung im Labor-Arbeitsablauf basiert auf den aktuellen Analysedaten und Bewertungsrichtlinien. Diese liegen im Laborsystem vor, existieren als Arbeitsanweisungen oder stammen aus Erfahrungswerten der Mitarbeiter. Die Entscheidungen beeinflussen das weitere Vorgehen, abhängig von der jeweiligen Probe:
- Rohstoff: Weiterverarbeitung in der Produktion
- Reinheit/Kontamination: Nutzung von Produktionseinheiten
- Komponenteneigenschaften: Produktionsparameter Justierung
- Qualitätskriterien: Klassifizierung des Produkts & Sperrung/Freigabe
- Etc.
Die Digitalisierung im Labor 4.0 umfasst auch diese Bewertungskriterien. Das Labor-System, das über die aktuellsten Analysedaten verfügt, muss in die Lage versetzt werden, die Bewertung eigenständig und elektronisch durchzuführen. Dafür werden die Kriterien in automatisch auszuwertende Bewertungsformeln umgesetzt. Sofort nach dem Eingang der aktuellen Analysedaten ist das Labor-System (z.B. ein LIMS) in der Lage, die Bewertung durchzuführen und bereitzustellen. Gegenüber einer manuellen Bewertung wird hier Zeit gespart und eine Fehlerquelle eliminiert.
Schritt 4: Selbststeuerung ermöglichen
Mit der automatisch ermittelten Bewertung wird ein wichtiger weiterer Schritt des Labor 4.0 Prozesses möglich. Den von der Bewertung abhängigen Prozessen wird es ermöglicht, sich selbst zu steuern und zu optimieren.
Durch die Selbststeuerung schließt sich der Kreis zwischen Erzeugung und Erfassung der Daten, über die automatische Bewertung hin zur automatischen Umsetzung der gefolgerten Entscheidung im Prozess.
Eine Selbststeuerung ist an vielen Punkten im Produktionsprozess denkbar. Zunächst bieten sich hier Prozesse an, bei denen dem Produktionsprozess bisher manuell die Information aus der Analysedatenbewertung übergeben wurde. Wird zum Beispiel für eine Rohstoffannahme bisher manuell von einem Bediener ein Annahmeprozess gestartet (Ventil öffnen, Pumpe starten, Förderband starten, etc.), so kann in der Labor 4.0 Umsetzung die Produktionssteuerung eigenständig die Labor-Freigabe für den zur Annahme anstehenden Rohstoff erfragen und danach handeln. Weitere Anwendungen neben Freigabe-Prozessen sind zum Beispiel laufende Prozessoptimierungen, die vom Produktionsprozess automatisch vorgenommen werden anhand der vom Labor laufend bereitgestellten aktuellen Analysen vom letzten hergestellten Produkt.
Die Schnelligkeit und Qualität des Austauschs von Daten mit anderem Prozessen ermöglicht eine ganz neue Form der Prozessgestaltung.
Schritt 5: Dokumentieren und informieren
Ist der Labor 4.0 Prozess aufgebaut, aktiviert und validiert, läuft er weitestgehend eigenständig und ohne manuelle Eingriffe. Aber genau wie beim manuellen Prozess ist eine Dokumentation der Vorgänge notwendig, um nachweisen zu können, wie verfahren wurde.
An dieser Stelle ist die komplette Digitalisierung des Prozesses wieder ein großer Vorteil, denn der Prozess kann in jedem seiner Schritte automatisch eine detaillierte elektronische Dokumentation seiner Aktivitäten, Einzeldaten und Entscheidungen anlegen.
Die Dokumentation bedarf ebenfalls keiner manuelle Eingriffe. Je nach Bedarf kann eine regelmäße Prüfung der vergangenen Abläufe vorgenommen werden, um die Funktion der Dokumentation zu prüfen.
Zudem besteht aber die Möglichkeit, bei unerwarteten Ergebnissen oder negativen Bewertungen eine aktive Benachrichtigung der Labormitarbeiter vorzunehmen. So wandelt sich die Arbeitsweise von regelmäßigen Aufwendungen zur Prüfung des Normalzustandes zu einer ausschließlichen Zuwendung bei Ausnahmesituationen.
Dokumentation wird im Labor 4.0 zum Automatismus und die Zeit der Mitarbeiter wird gezielt auf Ausnahmefälle gerichtet.
Ein erster Labor 4.0 Prozess kann ein ganz einfacher Labor-Ablauf sein, der mithilfe der Digitalisierung automatisiert wird. Nach kurzer Anlauf-Phase erschließt sich der deutliche Nutzen allen Beteiligten deutlich. Daraus folgt sehr schnelle eine breite Akzeptanz und eine hohe Motivation zur Umsetzung weiterer Prozesse.
Bei Bedarf beraten und begleiten wir Sie gerne bei Ihren Vorhaben zur Umsetzung des Labor 4.0.
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Mit einem LIMS ergeben sich durch die Verbindung mit anderen Systemen schnell spürbare Prozessverbesserungen. Lesen Sie, wie mit einem LIMS und der Anbindung an die Feldebene die Rohstoffannahme zu einem Labor 4.0 Prozess umgesetzt werden kann.
Labor 4.0? Was steckt hinter dem neuen Schlagwort? Lesen Sie alles in unserem Blog-Beitrag über die Zukunft des Labors.